Perspektive Weiterbildung an der Universität Hannover
Praxisnah. Authentisch. Inspirierend.
Mit dem Zertifikatskurs ,,Transkulturelles und interkulturelles Coaching" hat die Leibniz Universität Hannover ein starkes Zeichen für Weiterbildung und Integration gesetzt. Das Pilotprojekt richtete sich an erfahrene Coaches, die Eingewanderte und Geflüchtete beim Einstieg in eine qualifizierte Berufstätigkeit unterstützen. In diesem Beitrag erfahren Sie: Wie entstand das Programm? Welche Ziele verfolgt es und was sagen Teilnehmende über das neue Weiterbildungsangebot?
Wie alles begann...
Sprache, Anerkennung von Schul- und Berufsabschlüssen, mangelnde soziale Netzwerke und Diskriminierungserfahrungen: Der Migrationsprozess ist für Zugewanderte und Geflüchtete häufig steinig. Viele hochqualifizierte Fachkräfte, die aus dem Ausland nach Deutschland kommen, verkaufen sich hierzulande unter Wert und können ihr Potenzial nicht entfalten, weil sie die Herausforderungen nicht alleine bewältigen können. Genau hier setzt der neue Zertifikatskurse „Transkulturelles und interkulturelles Coaching“ an. „Unsere Idee war es, Coaches gezielt für dieses Feld weiterzubilden“, erklärt Susanne Hermeling, Projektleiterin in der Zentralen Einrichtung für Weiterbildung (ZEW) der Leibniz Universität Hannover und Initiatorin des Pilotprojekts.
Transkulturelles und interkulturelles Coaching
Anbieterin: Zentrale Einrichtung für Weiterbildung (ZEW) der Leibniz Universität Hannover
Abschluss: Zertifikat (5 ECTS-Punkte)
Umfang: 2 x 3 Tage in Präsenz (Wolfgangsee/Österreich); 50 Unterrichtsstunden und 10 Stunden Lehrcoaching. Hinzu kommen fakultativ Intervisionsgruppen, also eine kollegiale Beratung zwischen den Teilnehmenden mit 10 Unterrichtsstunden.
Dauer: 6 Monate
Voraussetzung: Abgeschlossene Coachingausbildung im Umfang von mindestens 200 Stunden oder Supervisionsausbildung sowie Beratungserfahrung. Abitur oder Hochschulabschluss sind keine Voraussetzung.
Von der Idee zur Umsetzung – ein europäisches Pilotprojekt
Das Pilotprojekt, finanziert durch Fördermittel aus einem EU-Erasmus-Programm, hat Susanne Hermeling gemeinsam mit österreichischen Partner:innen – darunter das Bundesinstitut für Erwachsenenbildung (bifeb) Österreich – und der Supervisorin Bernhild Schrand erfolgreich entwickelt, durchgeführt und evaluiert. Nach 5 Monaten intensiver Vorbereitungen startete das Pilotprojekt im Mai 2022; die ersten Seminare fanden im Dezember 2022 statt. „Es war ein großartiges Gefühl und eine Bestätigung für unsere Idee, als die Europäische Kommission Mittel für die Entwicklung und den ersten Kursdurchlauf genehmigt hat“, erinnert sich Hermeling. Ihre eigenen Auslandserfahrungen, unter anderem in China, boten Anregungen für das Projekt. Die Kursinhalte bauten auf dem Fachwissen von Coaching-Ausbilder:innen, Wissenschaftler:innen und Expert:innen aus der Migrationsberatung ein.

Abitur oder ein Hochschulabschluss sind keine Voraussetzung. Das war eine ganz bewusste Entscheidung in der ZEW, um die Durchlässigkeit der hochschulischen Weiterbildung zu gewährleisten.
„Interessierte für den Pilotkurs zu finden, war leicht,“ erinnert sich Susanne Hermeling: „Wir hatten unter anderen, ehemalige Teilnehmende von Weiterbildungen der ZEW angeschrieben – und hatten schnell 15 Coaches mit den notwendigen Voraussetzungen zusammen.“ Diese mussten eine abgeschlossene Coachingausbildung im Umfang von mindestens 200 Stunden oder eine Supervisionsausbildung vorweisen. Abitur oder ein Hochschulabschluss waren keine Voraussetzung. „Das war eine ganz bewusste Entscheidung in der ZEW, um die Durchlässigkeit der hochschulischen Weiterbildung zu gewährleisten“, betont Hermeling. Dank der EU-Förderung mussten die Teilnehmenden lediglich eine Aufwandsentschädigung beitragen. „Damit war die finanzielle Hürde für Interessierte natürlich gering.“
Passende Kandidat:innen für die Lehr-Coachings fand Initiatorin Susanne Hermeling unter anderem über das Hochschulbüro für Internationales der Universität Hannover und über den Flüchtlingsrat Niedersachsen, beispielsweise eine Zahnärztin aus Syrien und einen Maschinenbauingenieur aus Indien.
Ohne Flexibilität geht es nicht
Die ersten Durchgänge eines Weiterbildungsangebots sind immer mit Herausforderungen verbunden. Es gibt noch kein gewachsenes Team von Dozent:innen. Inhalte und Formate werden erprobt und müssen für nächste Durchgänge überarbeitet werden. Susanne Hermeling erinnert sich: „Wir hatten zum Beispiel einen anspruchsvollen wissenschaftlichen Vortrag zum Thema Mehrsprachigkeit. Das hat bei den Teilnehmenden einerseits Interesse geweckt und andererseits viele Fragen für die Praxis aufgeworfen. Diese haben wir dann in einer nachholenden Online-Session mit der Wissenschaftlerin ausführlich diskutiert.“
Hermeling stellt fest: „Wenn man ein komplett neues Angebot auf die Beine stellt, sind Flexibilität und Lernbereitschaft in der Weiterbildungseinrichtung genauso wichtig wie eine gründliche Evaluation. Die Rückmeldungen von Teilnehmenden und Dozent:innen sollten aktiv gesucht und als Impulse für Veränderungen aufgenommen werden.“
Wenn man ein komplett neues Angebot auf die Beine stellt, sind Flexibilität und Lernbereitschaft in der Weiterbildungseinrichtung genauso wichtig wie eine gründliche Evaluation.
Das Weiterbildungsangebot
Der Zertifikatskurs „Transkulturelles und interkulturelles Coaching“ richtet sich an Coaches mit abgeschlossener Ausbildung und Berufs- bzw. Beratungserfahrung. Ziel ist es, die Kompetenzen der Teilnehmenden in kulturreflexiver Beratung zu vertiefen. Im Mittelpunkt steht dabei, wie Zugewanderte aus Drittstaaten und insbesondere Geflüchtete unterstützt werden können, die in Deutschland eine qualifizierte Berufstätigkeit anstreben. Denn selbst für hochqualifizierte Zugewanderte sind die Hürden im hiesigen Bildungssystem und auf dem Arbeitsmarkt hoch und erfordern von den Betroffenen viel Energie und Frustrationstoleranz. Hier sind gut ausgebildete Coaches gefragt. Zudem vermittelt der Zertifikatskurs relevantes Faktenwissen etwa zu Mehrsprachigkeit, Fluchtursachen, Migrationsprozessen sowie Asyl- und Aufenthaltsrecht.
Struktur & Umfang der Weiterbildung
Die Weiterbildung umfasst zwei Blockseminare an jeweils an drei Tagen in Präsenz sowie Online-Sessions, in denen inhaltliche Vorschläge der Teilnehmenden aufgenommen werden. Parallel laufen in den sechs Monaten Lehr-Coachings mit Supervision, in denen die Teilnehmenden mit zugewanderten Fachkräften arbeiten.
Was kennzeichnet das Angebot?
„Unser Angebot ist nicht mit einem interkulturellen Training zu verwechseln. Wir wollen Coaches Raum für persönliche Entwicklung und für die Reflexion und methodische Erweiterung der eigenen Praxis geben“, betont Susanne Hermeling. Das Pilotprojekt der Universität Hannover richtet sich gezielt an erfahrene Coaches und fördert damit auch den Austausch der Teilnehmenden auf Augenhöhe.
Die Besonderheiten des Angebots:
- Lehr-Coachings mit Supervision
- Kooperation mit Partnerinstitution in Österreich
- Strukturierte Weiterbildung mit Zertifikatsabschluss über sechs Monate mit praxisnahen Blockseminaren (Erwerb von 5 ECTS-Punkten)
- Abitur oder ein abgeschlossenes Studium sind keine Zugangsvoraussetzung
Meine Perspektive: Nurten-Berivan Ediz
Für Nurten-Berivan Ediz, Senior Beraterin im Personalbereich, ein perfektes Weiterbildungsangebot: „Gerade als Coach, wo die Berufsbezeichnung nicht geschützt ist, sind und anerkannte Weiterbildungen wichtig. Die Universität Hannover steht für Qualität.“ Das wusste die 40-Jährige aus eigener Erfahrung. Sie hatte bereits ein Kontaktstudium an der Universität Hannover im Bereich Coaching absolviert. Inhaltlich hat Nurten-Berivan Ediz vor allem der praktische Teil und die konkrete Anwendung des gelernten Wissens gereizt: „Ich habe während der Weiterbildung einen jungen Inder einige Monate auf seinem Weg in den deutschen Arbeitsmarkt begleitet.“

Gerade als Coach, wo die Berufsbezeichnung nicht geschützt ist, sind hochwertige Abschlüsse und anerkannte Weiterbildungen wichtig. Die Universität Hannover steht für Qualität.
Im Gespräch: Nurten-Berivan Ediz
„Weiterbildung ist für mich Inspiration und Selbstfürsorge“
Nurten-Berivan Ediz ist Senior HR-Beraterin, Business Coach und Mediatorin. Sie hat am Pilotprojekt teilgenommen und spricht im Interview über die Bedeutung von Weiterbildung, ihre Motivation für lebenslanges Lernen und wie sie das alles in ihren Berufsalltag integriert.
Warum haben Sie sich für eine hochschulische Weiterbildung entschieden?
„Für mich steht bei Weiterbildungen an Hochschulen die Qualität außer Frage. Ein renommierter Weiterbildungsträger öffnet Türen und verschafft Anerkennung – besonders in einem Bereich wie Coaching, der keine geschützte Berufsbezeichnung ist. Eine hochschulische Weiterbildung bedeutet für mich geistige Stimulation und Selbstfürsorge; sie hält mich für den Arbeitsmarkt attraktiv und hilft mir, mich weiter zu professionalisieren.“
Sie haben bereits zahlreiche berufsbegleitende Weiterbildungen absolviert. Welchen Stellenwert hat Weiterbildung für Sie?
„Weiterbildung ist ein fester Bestandteil meines Berufslebens – seit mehr als 20 Jahren. Mein Spaß am lebenslangen Lernen hat meine Karriere beflügelt und mich immer weiter vorangebracht. Ohne diesen Lernhunger wäre ich nicht da, wo ich heute bin.“
Wie finanzieren Sie Ihre Weiterbildungen?
„Mein erster Schritt ist immer, meinen Arbeitgeber anzusprechen. Schließlich profitieren Unternehmen direkt von meinem neuen Wissen und meinen Qualifikationen. Daneben nutze ich Frühbucherrabatte, Ratenzahlungen und setze die Kosten in der Steuererklärung an. Und ich bin ein großer Fan des Bildungsurlaubes. Grundsätzlich bin ich aber bereit, aus eigener Tasche in meine Zukunft und meine Karriere zu investieren. Das zahlt sich langfristig bei Gehaltsverhandlungen oder beim nächsten Jobwechsel aus.“
Sie sind Beraterin und Coachin in Vollzeit. Wie schaffen Sie es, Weiterbildungen zeitlich unterzubringen?
„Für mich ist Lernen keine Belastung, sondern eine Bereicherung. Weiterbildungen inspirieren mich und geben mir Energie und neue Perspektiven. Es fühlt sich für mich nie wie Arbeit an, wenn ich beispielsweise freitags und samstags Seminare besuche oder mich abends auf Prüfungen vorbereite. Das ist eine Investition, die mir immer mehr zurückgibt, als sie fordert.“
Wie geht es weiter?
Die Unterstützung hochqualifizierter Zugewanderter bei der Verwirklichung ihrer beruflichen Ziele wird für Coaches ein immer relevanteres Aufgabenfeld. „Ohne Fachkräfte aus dem Ausland geht es nicht – das haben auch viele Unternehmen längst erkannt“, erklärt Susanne Hermeling. Nach dem erfolgreichen Pilotkurs planen die Universität Hannover und das bifeb in Salzburg daher, den Zertifikatskurs „Transkulturelles und interkulturelles Coaching“ fortzuführen und weiter auszubauen. Die neue Runde startet im Mai 2025. Hauptdozentin wird die ausgewiesene Expertin für transkulturelles Coaching Gesa Krämer sein.